Um den Stellenwert der Lesekompetenz, das Interesse an Lerninhalten und die Bereitschaft, sich beim Lernen anzustrengen, zu analysieren, hatten die Forscher Eltern von Kindern der achten Klasse befragt. Die Befragungsergebnisse von 1.452 Eltern während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 verglichen sie mit Befragungen aus 2018 sowie mit Kompetenztests, die dieselben Schülerinnen und Schüler anderthalb Jahre zuvor im Rahmen des Nationalen Bildungspanels erbracht hatten. Es zeigte sich: Wer gut liest, ließ sich leichter zum Lernen zuhause motivieren und kam mit der ungewohnten Lernsituation besser zurecht. Denn auch schriftliche Arbeitsanweisungen erwiesen sich im ersten Lockdown als große Motivationsbremse.
Hauptautorin Dr. Kathrin Lockl, Leiterin des Arbeitsbereichs "Kompetenzen" am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, sagt dazu: "Wir vermuten, dass Schülerinnen und Schüler mit geringeren Lesekompetenzen häufiger Verständnisschwierigkeiten haben und manche Aufgabenstellungen weniger gut nachvollziehen können. Solche eher entmutigenden Erfahrungen könnten dann dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler weniger motiviert sind, ihre Aufgaben zu erledigen". Die Fähigkeit, schriftliche Texte zu verstehen, sei durch den Distanzunterricht zu einer zentralen Kompetenz geworden, die nicht mehr nur im Deutschunterricht gefordert sei. Dadurch, dass Lehrkräfte den Lernstoff und Aufgaben oft nicht mehr mündlich erklären könnten, sei das Lesen der Texte aus Schulbüchern und der Anleitungen zu Arbeitsanweisungen besonders wichtig, so die Lockl.
Im Distanzunterricht existieren laut den Forschern aber auch Chancen, wie das Entwickeln von Kompetenzen. Die Studienleiterin Prof. Dr. Cordula Artelt ist der Meinung, dass sich Kinder durch realistische Ziele und Rückmeldungen motivieren lassen, dass sie sich dann als kompetent und autonom erleben. "Eigentlich eignet sich das Lernen auf Distanz wunderbar dazu, selbstreguliertes Lernen zu fördern, aber es muss eine gute Mischung aus selbstständigen und angeleiteten Phasen geben", so die Direktorin des LIfBi weiter.
Die Auswertungen zeigen, dass Distanzunterricht nicht nur als Übermittlung von Aufgaben gesehen werden darf. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Kinder zu wenig Rückmeldung erhalten und besonders Kinder, die Schwierigkeiten haben sich zu motivieren, abgehängt werden. Anhand der Befragung konnte festgestellt werden, dass dies während des Lockdowns im Frühjahr oft der Fall war. Bildungsforscherin Artelt empfiehlt daher den Lehrkräften, individuelle Elemente wie Sprechstunden, Videokonferenzen oder interaktive Aufgaben zu nutzen. Ganz klar sei auch, dass Eltern die pädagogische Begleitung nicht ersetzen können. Um das Lernen ihrer Kinder unterstützen zu können, bräuchten die Eltern neben der Planbarkeit des Homeschoolings vor allem auch Transparenz von der Schule. Sie müssten wissen, welche Erwartungen an den Fernunterricht und die Leistungen ihrer Kinder gestellt werden.
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